Mit der Meldestelle „hessengegenhetze.de“ wurde ein Weg geschaffen, dass Hinweise über zum Beispiel rassistische und volksverhetzende Äußerungen im Internet ohne größeren Aufwand gemeldet werden können. Die unsägliche Hetze nach dem Mord an Dr. Walter Lübcke hat aufgezeigt, dass das notwendig war. Seit Gründung von „Hessen gegen Hetze“ ist die Zahl der Hinweise kontinuierlich gestiegen: von 2.000 auf 37.000 im Jahr.
Zum fünfjährigen Bestehen der Meldestelle wurde eine Evaluation durchgeführt. Das Ergebnis liegt seit Mitte des Jahres vor und zeigt, dass die breite Ausrichtung und der Aufgabenkatalog heute nicht mehr passen. Zudem steht die Meldestelle im Hinblick auf öffentlichkeitswirksame Einzelfälle, die keinen Bezug zu Hessen haben, in der Kritik. In diesen Fällen hatten Meldungen durch die Stelle zu Maßnahmen der Justiz in anderen Bundesländern geführt.
Neuausrichtung soll klarere Strukturen und Mehrwert schaffen
Die Neukonzeption stellte Innenminister Roman Poseck heute vor und führte aus: „Die Meldestelle und das dazugehörige Aktionsprogramm „Hessen gegen Hetze“ der Hessischen Landesregierung waren vor mehr als fünf Jahren eine richtige und wichtige Antwort auf den schrecklichen extremistischen Mord an Dr. Walter Lübcke. Hass und Hetze hatten sich im Netz Bahn gebrochen und wurden ungehemmt insbesondere in den sozialen Medien verbreitet. Diese Entwicklung konnte die Landesregierung nicht ignorieren, vielmehr musste klar gemacht werden, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist.
Seit Gründung der Meldestelle sind rund 85.000 Inhalte bei Hessen gegen Hetze eingegangen, darunter viele eindeutig strafbare Posts. Klarstellen möchte ich an dieser Stelle, dass die Meldestelle lediglich eine erste Bewertung, aber keine Entscheidung über die strafrechtliche Würdigung vornimmt. Diese obliegt den Staatsanwaltschaften des jeweils betroffenen Landes.
Die Kritik, die an der Meldestelle insbesondere im Fall Bolz, geäußert wurde, habe ich von Anfang sehr ernst genommen. Auch wenn der Kampf gegen Hass und Hetze wichtig ist, dürfen wir auch nicht über das Ziel hinausschießen. Auch die Meinungsfreiheit gilt es zu schützen und ein Klima des Anschwärzens zu verhindern. Ich hätte mir in dem Fall Bolz vor allem ein anderes Handeln der Berliner Justiz gewünscht.
Dieser Fall weist wie mehr als 90% der eingehenden Meldungen keinen Bezug zu Hessen auf. Kein Beteiligter wohnt in Hessen. Es kann nicht richtig sein, dass wir Serviceleistungen für ganz Deutschland erbringen und dann auch noch am Pranger stehen.
Wir werden zukünftig nur noch auf Fälle mit Hessenbezug bearbeiten. Dabei wollen wir auch Doppelstrukturen mit Polizei und Staatsanwaltschaft vermeiden. Anders als zur Gründung der Meldestelle sind die Strafverfolgungsbehörden zwischenzeitlich auch gut online erreichbar. Die neuen Freiräume werden wir für eine bessere Begleitung von Opfern nutzen. Diese sind oft verunsichert; sie haben konkrete Sorgen und Anliegen, zum Beispiel hinsichtlich der Löschung von Inhalten im Netz. Hier werden wir zukünftig in hessischen Fällen eine bessere Unterstützung leisten. Aus meiner Sicht ist die Neuausrichtung der Meldestelle der richtige Schritt zur Vermeidung einer ausufernden Tätigkeit, von Doppelstrukturen und zur Schaffung echter Mehrwerte für die Menschen in Hessen. Die Erfahrungen mit der neuen „Anlauf- und Beratungsstelle bei Hass und Hetze im Netz“ werden wir sorgfältig evaluieren.“
Folgende konkrete Änderungen sind angestoßen:
- Umbenennung
Zur Verdeutlichung des neuen Auftrags wird die „Meldestelle“ in „Anlauf- und Beratungsstelle bei Hass und Hetze im Netz“ umbenannt. - Nur noch Fälle mit Hessenbezug
Ca. 93 % der Hinweise an die Meldestelle haben keinen erkennbaren Hessenbezug. Zukünftig werden nur noch
Hinweise mit Hessenbezug (Betroffene, Täter, Sachverhalt) entgegengenommen. - Keine Anlaufstelle für Strafanzeigen
Ca. 11 % der Hinweise kommen von Betroffenen, die Strafanzeige erstatten möchten (z.B. wegen Beleidigung oder Bedrohung). Auch solche Hinweise werden nicht mehr angenommen. Das Anliegen ist bei der (Online-Wache der) Polizei besser aufgehoben, so dass Hinweisgeber dorthin digital weitergeleitet werden, um eine Strafverfolgung anzustoßen. - Keine Rückmeldung mehr an pseudonyme Hinweisgeber
Derzeit erhalten alle Hinweisgeber eine Rückmeldung zum Prüfungsergebnis. Das setzt Anreize für „Vielmelder“. Der „Rückkanal“ wird daher für Hinweisgeber, die lediglich pseudonyme Kontaktdaten (z.B. E-Mail-Adresse „anonym79@xxx.de“) angeben, geschlossen. - Fokus auf Beratung, Aufklärung und Information
Auf Anfrage berät die Meldestelle Betroffene und vermittelt Beratungsangebote. Das Angebot wird zukünftig schon im Meldeformular unterbreitet. Wer ein Beratungs- und Unterstützungsangebot benötigt, erhält möglichst passgenaue Hinweise, Unterstützungs- und Beratungsangebote und gegebenenfalls ein Beratungsgespräch. Das gilt auch bei Offline-Sachverhalten. Gleichzeitig wird die Meldestelle künftig noch stärker durch Aufklärung und Information, z.B. über Vortragsveranstaltungen, gegen Hass und Hetze aktiv.